09/06/2022

Stealth-Velorianer

Von Zeit zu Zeit kommt es vor, dass auch ich mich aus den heimischen Gefilden aufmachen, um neue Welten zu entdecken, fremde Zivilisationen und entfernte Planeten…, oder so ähnlich. Was da heißen soll, dass ich mich hin und wieder aufmache, um die Welt zu sehen.

Jüngst habe ich dies mit einem Freund getan und wir fuhren gen Süden mit unseren beiden Motorrädern. Da wir beide nun schon der grau melierten Fraktion angehören, wurde das Unternehmen gestützt durch einen Anhänger und gemütlichem Gefährt. Auch unsere Motorräder sind nicht mehr von der rasenden Gilde, sondern vielmehr steht hier auch der Komfort im Vordergrund.

Derart gerüstet ging es also an ein Gebiet, welches gerade dazu gemacht ist, Serpentinen zu fahren, gemütlich durch Landschaften zu tuckern, oder auch mal in Cafés entlang der Route einen gemütlichen Espresso zu genießen. Also ab in Dolomiten, besser gesagt, in das kurvenreiche Gebirge zwischen Verona und Bozen. Hier ein schönes Hotel auf angenehmer Höhe gesucht, welches Touren ausschreibt die der Besitzer selbst in der Umgebung „erfahren“ hat. Das verspricht Spaß und Wege, die kaum jemand kennt. So der Gedanke.

Also frisch ans Werk, die Hocker gesattelt und im Schritt frisch gemacht, auf sodann „Hi Ho Silver“, braust man in die Gegend. Das Wetter ist herrlich, die Kurven moderat, das Tempo dem Alter angemessen. Was will man mehr? Gibt es etwas was hier nun stören könnte? Um es kurz zu machen, ja, mannigfaltig, reichlich und über alles unangemessen, RADFAHRER.

Verstehe mich der geneigte Leser jetzt nicht wieder falsch. Radfahren ist gut, macht Laune, mache ich selbst und hat seine Berechtigung. Es gibt Gruppen dazu, Clubs und Vereine, Sport und was noch alles. Jeder sollte es mehr tun, sich bewegen, an die Luft und so weiter. Aber bei Neptuns gewaltigen Arsch, was haben die Strampler in den Bergen zu suchen? Auf Straßen, die kaum zu bewältigen sind und dadurch nicht nur die Geschwindigkeit der Verkehrsteilnehmer auf ein Minimum drosseln, sondern den Radfahrer dazu zwingen weit ausschwingend die Fahrbahn einzunehmen. Laut prustend dem Herzinfarkt nahe wird hier in die Pedale getreten was das Zeug hält und was hinter einem passiert ist ja eh egal, ich bin hier am Radeln, der Gott der Velomaten, und Herr über die Serpentinen.

Nicht nur dass diese Art der sportiven Bewegung an Selbstmord grenzt, es ist auch derart sinnfrei das man nur den Kopf schütteln möchte. Abgesehen davon das der Verkehr behindert wird, es ist auch über alle Maßen gefährlich. Der fließende Verkehr, gerade in Italien, ist nicht der beste Platz für eine derartige Zurschaustellung von sportlichem Unvermögen, nein, das ist einfach lebensgefährlich. Auch nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass der nachfolgende Verkehr dadurch zu Überholmanövern inspiriert wird, welche auf Serpentinen an Stunts grenzen.

Noch feiner wird der Wahn, wenn man gemütlich am Pass sitzt und eine Kaltschale genießt, dabei beobachtet wie ein Bus hechelnd herbeieilt und dutzende von „Radfahrern“ samt Bike in die Landschaft entlässt. Diese dann sogleich aufspringen und teufelsgleich die Straßen abwärtsrollen, sitzend wie eine kackende Lesbe, die Ohren angelegt, und Windoptimiert. Da wir aber nun von Passtrassen sprechen, mit Haarnadeln und Gefällen von bis zu 16% ist das mit dem Rollen nicht weit her. Vielmehr gleichen diese „Radfahrer“ Geschoßen, oder vielmehr Starfightern auf der Flucht vor dem bösen Nichts, welches sie vermeintlich verfolgt. Noch gruseliger wird es dann, wenn diese Starfighter zu Stealth-Jägern werden, in den dunklen Ecken der Bergstraßen, in Tunnels, oder schattigen Tälern, ja lieber Leser, hier offenbart sich der wahre Genuss von Adrenalin, wenn einem diese Wahnsinnigen um die Ohren pfeifen wie Hummeln im Sturzflug. Nicht genug damit das dies alles auch saugefährlich ist, nein, es wird auch drohend mit der Faust gewunken, wenn man sich erdreistet mit dem Moped im Weg zu sein, auch wenn man sich auf der richtigen Straßenseite befindet. Vielleicht waren es auch alles Engländer, aber die Theorie hingt.

Alles in allem ist das nicht zu verstehen, zumindest für mich nicht, aber Leben und Leben lassen fällt schwer, wenn im Angesicht solcher Umstände mal wieder das „Ich bin jetzt hier und ich brauche meinen Platz“ an erster Stelle stehen sieht. Das Miteinander, Rücksicht und vor allem Voraussicht, sind in solchen Fällen doch wirklich sinnvoll. Also nehmt euch doch mal zurück und versucht wenigstens so zu Fahren damit wir anderen auch überleben können und den Ausflug genießen.